Unternehmensverlagerung

Informationen zu Rechten & Pflichten in #Grenzüberschreitende Tätigkeit

Informationen zu Rechten & Pflichten

Verlagerung eines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat

Wer als Unternehmerin oder Unternehmer den Firmensitz ins Ausland verlegen möchte, hat Einiges zu beachten und sollte daher früh mit der Planung beginnen. Als kompetente Ansprechpersonen bei einer Betriebsverlagerung aus Deutschland in das Ausland stehen die Industrie- und Handelskammern (IHK) sowie die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) zur Verfügung.

Anzeige- und Meldepflichten am neuen Standort
Anzeige- und Meldepflichten und einzuholende Genehmigungen hängen von den Regelungen des EU-Landes ab, in welchem sich der neue Betriebsstandort befindet. Grundsätzlich bedarf es in Deutschland bei gewerblichen Tätigkeiten einer behördlichen Gewerbeanmeldung. Für bestimmte Rechtsformen ist eine Eintragung Ihres Unternehmens in das jeweilige nationale Handelsregister erforderlich. Bei EU-Bürgerinnen und Bürgern ist ein gültiger Pass für die Gewerbeanmeldung und ggf. eine Meldebestätigung ausreichend.

Einholen ggf. notwendiger Genehmigungen am neuen Betriebsstandort

Bestimmte Branchen und Tätigkeiten erfordern besondere Genehmigungen und Lizenzen, etwa Gewerbe, die mit risikoreichen Sachverhalten zu tun haben. Zu den üblicherweise genehmigungs- oder erlaubnispflichtigen Branchen zählen beispielsweise:

  • Arzneimittelbranche
  • Bewachungsgewerbe
  • Finanzdienstleister
  • Glücksspielbranche
  • Waffenhandel

Informieren Sie sich frühzeitig, welche Genehmigungen Sie ggfs. in Ihrem Zielland benötigen.

Folgende rechtlichen Vorschriften im jeweiligen Zielland sind ggf. zu berücksichtigen:

  • Baurecht
  • Betriebsstättenverordnung
  • Wasserrecht
  • Abfallrecht
  • Natur- und Umweltschutz
  • Forstrecht
  • Telekommunikation
  • Straßen- und Eisenbahnwesen

Gegebenenfalls sind auch weitere Bewilligungen zu berücksichtigen, wie beispielsweise:

  • Flächenwidmungs- und Bebauungspläne
  • Baubewilligungen
  • Betriebsanlagengenehmigung
  • Umweltverträglichkeitsprüfung

Steuerliche Regelungen bei der Überführung von Wirtschaftsgütern ins EU-Ausland

Wenn Sie Wirtschaftsgüter, Teile des Unternehmens oder das gesamte Unternehmen ins Ausland überführen, finden steuerliche Regelungen Anwendung.

Überführung von Wirtschaftsgütern in das EU-Ausland

Für die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern gibt es steuerliche Regelungen, die zu berücksichtigen sind. So müssen stille Reserven, die in Deutschland entstanden sind, bei der Überführung von Wirtschaftsgütern, Teilen von Betrieben oder ganzen Betrieben ins Ausland steuerlich erfasst werden. Die gesetzliche Entstrickungsnorm, welche die Besteuerung von im Inland begründeten stillen Reserven im Fall des Wegzugs regelt, ist in § 4 Abs. 1 S. 3 EStG, § 16 Abs. 3a EStG und § 12 Abs. 1 KStG kodifiziert.

Die Überführung von Wirtschaftsgütern in einen ausländischen Unternehmensteil des Einheitsunternehmens unterliegt in Deutschland der Sofortbesteuerung. Nur in bestimmten Fällen kann die sich ergebene Steuerbelastung durch einen Ausgleichsposten gestreckt werden (§ 4g EstG). Nach dem § 4 Abs. 1 Satz 4 kann ein solcher Ausgleichsposten in Höhe der aufzudeckenden stillen Reserven gebildet werden. Dies gilt nur, wenn die Wirtschaftsgüter innerhalb der EU überführt werden. Der Ausgleichsposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den 4 folgenden Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen. Er kann lediglich auf Antrag erfolgen und ist für jedes Wirtschaftsgut getrennt auszuweisen.

Aus der Überführung von Wirtschaftsgütern ergibt sich ferner, dass weder (Teil-)Betriebe noch Nutzungsrechte Gegenstand einer Überführung sein können.

Bei der Überführung von Wirtschaftsgütern aus dem Ausland nach Deutschland sind die jeweiligen steuerlichen Regeln des Landes zu beachten, aus dem die Güter überführt werden.

Nähere Informationen zu steuerlichen Fragen erteilt Ihne das zuständige Finanzamt.

Betriebsverlegung in das EU-Ausland

Soll ein Einzelunternehmen im EU-Ausland weiter betrieben werden, empfiehlt sich eine zeitnahe Betriebsaufgabe und Neugründung im Zielland. Entscheiden Sie sich für eine Betriebsaufgabe Ihres Unternehmens, müssen Sie dieses bei den relevanten öffentlichen Stellen abmelden:

  • Gewerbeamt
  • Finanzamt
  • Amtsgericht (bei im Handelsregister eingetragenen Firmen)
  • Sozialversicherung
  • Berufsgenossenschaft
  • IHK/HWK
  • Statistisches Landesamt

Wer ein Einzelunternehmen nicht aufgeben möchte, sollte es in eine GmbH umwandeln, sofern der Wohnsitz ebenfalls ins Ausland verlegt wird.

Unabhängig von der Rechtsform greifen bei der Verlagerung des deutschen Geschäftsbetriebs ins Ausland immer die sogenannte Funktionsverlagerung nach § 1 (3) AStG und die Regelung zur Entstrickung nach § 4 (1) EStG. Das Ergebnis gleicht einer fiktiven Veräußerung Ihres Unternehmens in Deutschland. Für Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft greift zusätzlich die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG. Die Höhe der Wegzugssteuern hängt prinzipiell von dem Wert des Unternehmens ab.

Regelungen im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Betriebsübergang von Mitarbeitenden

Wird ein Betrieb übertragen, gehen die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten automatisch gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Erwerber über. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Übertragung um einen Betriebs(teil)übergang handelt. Kündigungen wegen des Betriebsübergangs sind deshalb gemäß § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.

Verlagert die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber allerdings die Produktion ins Ausland und nimmt in diesem Zusammenhang Entlassungen vor, muss geprüft werden, ob überhaupt ein Betriebsübergang vorliegt, bei dem die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten geschützt sind. Wenn es sich jedoch um eine Betriebsstilllegung handelt, dürfen Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen erfolgen. Ein Betriebsübergang kann z.B. vorliegen, wenn die Entfernung zwischen neuem und altem Betrieb nicht zu groß ist. Bei Kündigungen im Rahmen einer Geschäftsstillegung ist die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 II Nr. 6 BGB einzuhalten sowie bei Bestehen eines Betriebsrates dessen Rechte zu beachten.

Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber ist ferner nicht verpflichtet, der oder dem Beschäftigten einen freien Arbeitsplatz in einem Betrieb anzubieten, der im Ausland gelegen ist. Das Kündigungsschutzgesetz stellt auf den Begriff des Betriebes ab. "Betrieb" im Sinne des § 1 KSchG sind nur die in Deutschland gelegenen organisatorischen Einheiten bzw. Teile eines Unternehmens.

Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre Unternehmen aus dem EU-Ausland nach Deutschland verlagern wollen, können hierzu die nachfolgenden Rechtsformen nutzen.

Gründung einer Tochtergesellschaft

Mit der Gründung eines Tochterunternehmens entsteht ein vom Mutterunternehmen rechtlich selbständiges Unternehmen. Besondere gesetzliche Bedingungen oder Beschränkungen für die Gründung durch ausländische Unternehmen bestehen in Deutschland nicht. Auch für eine ausländische Gründerin oder einen ausländischen Gründer gelten ausschließlich deutsche Vorschriften für die Gründung, Gewerbeanmeldung und Handelsregistereintragung. Das zur Gründung erforderliche Kapital kann unbeschränkt nach Deutschland eingeführt werden.

Gründung einer selbstständigen Niederlassung

Eine Zweigniederlassung ist keine eigene, vom Unternehmen der Hauptniederlassung getrennte juristische Person. Sie ist rechtlich und organisatorisch Teil des Unternehmens der Hauptniederlassung. Auch für die rechtliche Behandlung der Zweigniederlassung in Deutschland ist deutsches Recht anzuwenden. Das gilt insbesondere für die Eintragung im Handelsregister.

Nach §§ 13 ff. HGB (Handelsgesetzbuch) ist eine Zweigniederlassung eine vom Hauptgeschäft räumlich getrennte Niederlassung, die in das Handelsregister eingetragen werden muss. Eine selbständige Zweigniederlassung kann nur von einem kaufmännischen Unternehmen gegründet werden. Ein nicht kaufmännisches Unternehmen kann nur eine Betriebsstätte errichten. Betriebsstätten sind unselbstständige Niederlassungen und werden nicht im Handelsregister eingetragen.

Die Eintragung in das Handelsregister ist schriftlich bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht anzumelden. Die Unterschrift und die Zeichnung der Firma müssen durch eine Notarin oder einen Notar beglaubigt werden.

Erforderliche Verfahren

Neben der Eintragung in das Handelsregister wird die Erfüllung folgender Anforderungen für die Gründung eines Tochterunternehmens oder einer Niederlassung vorausgesetzt:

  • Gewerbeanmeldung: Alle gewerblichen Betätigungen einer Tochtergesellschaft, einer Zweigniederlassung oder einer Betriebsstätte müssen gewerberechtlich beim zuständigen Gewerbeamt der Gemeinde angemeldet werden.
  • Erforderliche Genehmigungen: Insbesondere die Aufnahme jedes handwerklichen Betriebes ist erlaubnispflichtig. Der Betrieb muss in die Handwerksrolle der regional zuständigen Handwerkskammer eingetragen werden. Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle ist, dass der Betrieb von einem Handwerksmeister geführt wird.

Europäische Genossenschaft

Eine weitere Unternehmensform ist die Europäische Genossenschaft (SCE). Diese können im Europäischen Binnenmarkt mit einheitlichen Vorschriften und einheitlicher Struktur aktiv werden. Hierbei werden die Unterrichtungs-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer gewahrt. Eine SCE muss über eine Mindestkapitalausstattung von 30.000 EUR verfügen.

Nationale Genossenschaften, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, können ohne vorherige Auflösung in eine SCE umgewandelt werden. In Deutschland ist dazu eine Eintragung in das Genossenschaftsregister erforderlich. Dies erfolgt entsprechend der für Aktiengesellschaften geltenden Vorschriften:

  • Zur Antragstellung ist die Mitwirkung einer Notarin oder eines Notars erforderlich.
  • Die Anmeldung erfolgt ausschließlich auf elektronischem Weg. Dazu wird ein öffentlich beglaubigtes Dokument erstellt. Das Dokument kann seit dem 1. August 2022 auch mittels Videokommunikation beglaubigt werden.
  • Die Erklärung wird mit einer elektronischen Signatur versehen und an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Registergerichts gesendet.

Europäische Aktiengesellschaft

Die Europäische Gesellschaft (SE) ist eine Rechtsform für Aktiengesellschaften. Sie ermöglicht Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeit in verschiedenen europäischen Ländern mit einem einheitlichen Regelwerk zu betreiben.

Für die Gründung einer Europäischen Gesellschaft müssen Sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sitz und Hauptverwaltung im selben EU-Land
  • Präsenz in anderen EU-Ländern (über Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen), oder alle beteiligten Unternehmen unterliegen dem Recht von mindestens zwei verschiedenen EU-Ländern
  • Mindestkapital 120 000 Euro
  • Bestehen einer Vereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung über die Arbeitnehmerbeteiligung in den Gesellschaftsorganen sowie zur Konsultation und Information der Beschäftigten

Eine Europäische Gesellschaft kann gegründet werden, indem:

  • sich bestehende Gesellschaften zusammenschließen
  • eine Holding-Gesellschaft gegründet wird
  • eine gemeinsame Tochtergesellschaft durch mehrere Gesellschaften oder durch eine bereits bestehende Europa AG innerhalb der EU gegründet wird
  • eine nationale Aktiengesellschaft umgewandelt wird

Die gesetzlichen Grundlagen für die Gründung der SE mit Sitz in Deutschland finden sich in der europäischen Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 (SE-VO) sowie dem entsprechenden deutschen SE-Ausführungsgesetz (SEAG), welches wiederum vielfach auf das deutsche Aktien- bzw. Umwandlungsgesetz verweist. Für das im Rahmen einer jeden SE-Gründung durchzuführende Verfahren zur Beteiligung der Arbeitnehmer dem sogenannten Beteiligungsverfahren sind die europäische SE-Richtlinie (SE-RL) sowie das deutsche SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) maßgeblich.

Sie können den Sitz einer Europäischen Gesellschaft später - ohne diese auflösen oder neugründen zu müssen - auch in ein anderes EU-Land verlegen, sofern sie nicht Gegenstand eines Konkurs-, Liquidations- oder Insolvenzverfahrens ist. Die Absicht, den Firmensitz zu verlegen, müssen Sie 2 Monate im Voraus öffentlich ankündigen, und die Aktionäre müssen der Verlegung zustimmen.

Steuerliche Regelungen

In der Fusionsrichtlinie der EG ist die steuerrechtliche Behandlung geregelt hinsichtlich:

  • Gründung der SE
  • Verschmelzung
  • Spaltung
  • Sitzverlegung in ein anderes Land

In Deutschland sind die Vorgaben dieser Richtlinie vorwiegend im Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) geregelt worden. Demnach löst die Gründung einer SE durch grenzüberschreitende Fusion so weit wie möglich keine akute Steuerbelastung auf der Ebene der Gesellschaft oder bei den Gesellschafterinnen beziehungsweise Gesellschaftern aus. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die bei den beteiligten Unternehmen oder den Anteilseignern schon vorhandenen stillen Reserven der Steuerverwaltung für eine spätere Besteuerung noch zur Verfügung stehen können und nicht etwa endgültig verloren gehen (Steuerneutralität). Nach denselben Grundsätzen wird auch eine Sitzverlegung der SE behandelt.

Europäische Privatgesellschaft

Die Europäische Privatgesellschaft (SPE) gibt kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) die Möglichkeit, in der gesamten EU tätig zu werden. Die Tochterunternehmen EU-weit agierender KMUs müssen nicht die Gesellschaftsform des jeweiligen Landes annehmen. Die Gründung einer SPE ist mit einem Euro Kapital möglich. Die Unternehmen müssen lediglich eine Solvenz-Erklärung vorlegen.

Weiterführende Informationen

  • Gründung einer Europäischen Gesellschaft auf dem Your Europe Portal
  • Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts

Verantwortlich für den Inhalt
Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Letzte Aktualisierung bzw. Veröffentlichungsdatum
12.12.2022